Ich versinke im Grünen. Ich lerne zu vereinfachen.
Mein Papier ist nicht gerade genug. Ich drücke es und zerdrücke es mit meinen Fingern. Bei jedem Luftzug und Kratzen an den Blättern habe ich das Gefühl, dass ich beobachtet werde. Ich sitze im Schneidersitz auf ein paar Büschen in der Nähe von einer riesigen Pfütze, die von Dornenbüschen durchzogen ist. Mein Hintern in verschiedenen Formen. Wenigstens ist es hier ruhig, es gibt Aussicht und Schatten. Ich habe eine positive Veranlagung und schlüpfe in die Rolle des Optimisten. Ich schlüpfe in die Rolle einer Optimistin, eines verträumten Mädchens, das vorgibt, so sorglos in die Sonnenstrahlen zu blicken, die sich wunderschön in den Fenstern der Häusern spiegeln. Fantastische Laserstrahlen. Jetzt bin ich meilenweit entfernt, genau zwölf Minuten von Zuhause entfernt. Ich bin nicht mehr Zuhause, aber ich kann mir gut vorstellen, was dort gerade passiert. Ich frage mich, ob meine Vorstellungskraft so stark ist, dass ich vielleicht schon drei Stunden oder vielleicht zwei Tage von Zuhause weg gewesen war. An meinem weichen, grünen T-Shirt hängen ein paar schöne, flauschige Pflanzenkugeln. Wahrscheinlich habe ich sie gesammelt als ich versuchte, den Hügel hinaufzuklettern. Die schwarze, lange Hose bewahrt jetzt meine Beine vor ihrer brutalen Plünderung. Der ganze Ort ist in den Büschen versunken. Es war ein Fehler, Sandalen an meinen unteren Gliedmaßen. Dornen überall in meinem Fleisch.
Ich ziehe jetzt die Dornen einzeln heraus und sehe, wie die Haut aufgeschnitten wird. Schlitze, Schlitze, überall menschliche Fleischstücke. Und während ich gebückt in der Pfütze sitze, drehe ich mich alle dreieinhalb um, um den halb gefällten Baum hinter mir zu überprüfen. Für irgendeinem Grund bin ich überzeugt, dass dieser Baum ein Mensch ist und mir schaden wird, nur weil er zufällig hinter mir liegt. Die Tendenz zur Kontrolle. Ich fühle es und rieche es und ich mag es überhaupt nicht, aber es ist da. Wäre es dasselbe, wenn der Baum vor mir wäre? Die Bäume vor mir sehen nicht so bedrohlich aus.
Die winzigen Fliegen vor meinem Gesicht verwirren mich. Sie bewegen sich ungewöhnlich koordiniert, genau wie eine Herde. Eine Fliegenherde. Wie lustig ist das denn?! Die Sonne sinkt. Ich habe keine Ahnung jetzt ob ich es schaffen werde, mindestens eine Seite meines Buches zu lesen.
Ich habe ein Buch mitgebracht, das ich früher schon mal in der Grundschule gelesen hatte. Dass ich dieses Buch in der Grundschule gelesen habe, bedeutet nicht automatisch, dass es ein einfaches Buch ist. Ganz im Gegenteil konnte ich für viele Jahre die Tatsache nicht akzeptieren, dass ich mit elf Jahren nicht verstehen konnte, was dieses Buch sagen will. Aus diesem beschloss ich jetzt, wo ich älter bin, es noch einmal zu versuchen.
Es handelt sich um ein Buch, wo der zentrale Charakter, die Kinder davon überzeugen möchte, dass Mathe sehr viel Spaß macht. Das war auch der Grund weshalb ich niemals das Buch zu Ende gelesen habe. Ich habe nie wirklich Mathe gemocht. Mathe war währende der Schule sowas wie eine Phobie für mich.
Ich kann mich noch gut an die ersten Panikattacken in der Grundschule erinnern, als wir uns darauf vorbereiteten, kleine Früchte durchzuzählen. Der Schwarztafel und eine riesige, schwarze Zahlenschlange mit Kreuzen, Strichen und Divisionen dazwischen. Ich will keine Angst haben. Deshalb versuche ich seit fast zwanzig Jahren, ganze Zahlenschlangen aufzuzählen, ohne auf die Toilette rennen zu müssen. Zahlen bereiten mir Angst und Stress. Ich denke, wenn es mir gelingt, meine Angst vor Zahlen zu überwinden, werde ich in Einfachheit gewinnen und möglicherweise aufhören, komplex zu denken. Vielleicht kann ich dann mehr frei sein.
Das bedeutet, dass mich weder die Fliegen über meinem Kopf noch die Bäume, die wie menschliche Silhouetten aussehen, stören werden.
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